Dienstag, 2. Dezember 2014

RUSSLAND - Transsib 2, preisgekrönt

In Kooperation mit der Österreichischen Bundesbahn rief die Tageszeitung KURIER ihre Leserinnen und Leser dazu auf, Erlebnisse zum Thema Zugreisen zu mailen. Unzählige Einsendungen landeten in der Redaktion – was die Auswahl der drei besten Geschichten nicht gerade leicht machte. Letztlich aber fiel doch eine Entscheidung. Die Begründung der Jury: „Die erstplatzierte Geschichte enthält all das, was eine Zugfahrt ausmacht: die Beschreibung von vorbeiziehenden Landschaften und unterschiedlichen Menschen, das Gefühl von Freiheit und Weite – sowie genau die richtige Prise Humor.“ (Kurier, 22.6.2014)




Railaxen – das muss ein Wort aus Russland sein  (1.Platz; Walter Tretenhahn)

“Relax, relax..” – einige russische, zwei  mongolische Speisewagengäste und Sinja, die Kellnerin mit den Goldzähnen, verstehen nicht ganz unsere, eventuell durch zwei bis drei Wodkakostproben verstärkte Begeisterung für Pink Floyd.  “The Wall” kommt auch im Rumpelrythmus der Bahngleise als Kalinka-Alternative gut rüber. Aus unserer kleinen Lautsprecherbox, die wir, fast so alt wie Sänger Roger Waters, am dritten Tag unserer Reise mit der legendären Transsibirischen Eisenbahn schon gut beherrschen.

Wir sind zu fünft. Und uns einig, dass Bahnreisen, vor allem mehrtägige, nicht nur horizonterweiternd, sondern auch total entspannend sind. Daher fahren wir von Moskau zum Baikalsee gleich einmal durch. Plaudern, philosophieren, besuchen ohne Druck den Speisewagen und schlafen, wann und so viel wir wollen (und können). Erforschen zwanglos die Bahnhöfe während der Zwischenstopps, betrachten unterwegs die bunt bemalten Holzdörfer, die Zwiebelkuppeln der orthodoxen Kirchen und die überaus spannenden, unendlichen Birkenwälder mit immer größerer Gelassenheit. Überqueren den Ural ohne Nervosität. Akzeptieren ohne innere Unruhe die tägliche Zeitverschiebung. In Irkutsk werden es von Wien schon sieben Stunden Zeitunterschied sein. Wir aber wollen weiter, durch Sibirien, die Mongolei, bis nach Peking.  

Relaxed, doch mit Bedauern, verabschieden wir uns in Novosibirsk von unserem Abteilnachbarn und Sibirien-Guru Igor, weißhaarig, mit weicher Seele und harter Leber. Wir ahnen: in der Transsib werden Freundschaften für’s Leben geschlossen. Mit Mitreisenden, die man nie wieder treffen wird.

Am kleinen Hafen des Dorfes Listwjanka warten wir auf die Fähre, die uns über den Baikalsee zur alten Bahnstation Port Baikal bringen wird. Dort werden wir zusteigen, eine Etappe in einem Sonderzug mit  deutschen Reisegästen auf der historischen Uferstrecke zurücklegen und bis nach Ulan Bator fahren. Wir Ösis werden bereits am Pier neugierig betrachtet, taxiert. Auf die Frage, woher wir denn auf einmal kämen und wer wir seien, antwortet unser Ernst, der alles andere als ernst ist, spontan und leicht aufsässig: “Wir sind eine Splittergruppe der Wiener Philharmoniker”. Es dauerte nur drei Stunden, dann besuchten uns bereits zahlreiche Fahrgäste an unserem neuen “Stammtisch” im Barwaggon. Ein Gerücht hatte sich in Windeseile im Zug verbreitet: „heute Abend gibt es ein klassisches Kammerkonzert“. Während sich die hochkulturinteressierten Transsib-Gäste noch im Gang drängten, saßen wir schon wieder entspannt bei einem Glas georgischen Rotweins in unserem Abteil. Und waren uns ziemlich sicher: “Railaxen” muss ein russisches Wort sein.


  

Kommentare, Anregungen, eigene Erfahrungen, Vorschläge, Reiseanfragen etc. sind willkommen!  tretenhahn@eastlink.at

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